Rued Langgaard war einer der eigenartigsten Komponisten, und zwar im eher engeren Sinne des Wortes: Einerseits ein eingeschworener Spätromantiker zu einer Zeit, in der andere längst lauthals die musikalische Revolution ausriefen, komponierte er in seinen grenzenlos schwelgerischen Werken solche musikalische Extreme ein, dass niemand Geringeres als Neue Musik-Ikone György Ligeti den Komponisten Langgaard verehrte und sich von seinen Kompositionen inspirieren ließ.
Langgaards auf diesem Album zum ersten Mal eingespielte Violinsonaten gehören überwiegend zu seinen reifen Werken der letzten Lebensjahre. Die meiste Zeit sind sie ein einziger Ritt auf dem Vulkan! Der Violinpart platzt förmlich vor Virtuosität und dynamischer Exaltiertheit. Langgaard geht auch beim Klavier bis zum Äußersten: Chromatik! Lautstärke! Alles an diesen einzigartigen Stücken wirkt eruptiv, ungezügelt, wild und frei.
Teilweise springen Passagen ins Ohr, die sich in einem konservativ-spätromantischen Umfeld urplötzlich jeder konventionellen Harmonieauffassung verweigern, wie Granitblöcke mitten im Sonatensatz stehen.
Der Hörer, der sich eben noch in einem Meer des Schönklangs gewiegt sah, klatscht unvermutet an solche felsigen Klippen. So viel steht fest: Einer Langgaard-Komposition wird niemand gleichgültig gegenüberstehen. Dabei ist der erste Eindruck nicht unvertraut. Zunächst meint man, „lediglich“ spätromantische Sonaten zu vernehmen, wie man sie z.B. auch von Max Bruch oder Johan Svendsen erwarten würde. Doch ist da schon nach wenigen Takten dieses seltsame Brodeln unter der Oberfläche, das sich steigert, bis der Vulkan Rued Langaard (eher früher als später) rumpelt und in eine Dauer-Eruption übergeht.
Diese außergewöhnlichen Sonaten sind zugegebenermaßen Werke eines musikalischen Sonderlings und wenig repräsentativ für die Zeit ihrer Entstehung. Für uns sind sie der „Wink mit dem Zaunpfahl“, zumal wir heute doch eine verhältnismäßig enge Auffassung der musikalischen Moderne haben. „Moderne“ war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein weitaus vielfältigerer Begriff, als wir es uns heute in der historischen Rückschau zugestehen. Und einen wichtigen Beitrag zu dieser heute verschütteten Vielfalt haben Komponisten beigesteuert, deren manchmal querköpfiger Personalstil nach wie vor so recht in keine Schublade passt. Neben Charakterköpfen wie Malipiero, Villa-Lobos, Sibelius oder Foulds gehörte auch ein Däne zu diesem verschiedenartigen Zirkel aus Querdenkern: Rued Langgaard!