Die Große Sonate für das Hammerklavier Op. 106 gilt unter den Spätwerken Beethovens als eines der komplexesten und anspruchsvollsten. Angeblich soll erst Franz Liszt, Jahrzehnte nach Beethovens Tod, in der Lage gewesen sein, die technischen Schwierigkeiten der Sonate zu meistern.
David Plylar, Kustos an der Library of Congress, hat nun eine Fassung für Streichquartett angefertigt, und was zunächst als Wegweiser durch das strukturelle Dickicht des riesenhaften Opus gedacht war, erweist sich in der Darbietung des Leipziger Streichquartetts als überaus erhellende Erweiterung des musikalischen Horizonts.
Die ausgedehnten polyphonen Passagen profitieren natürlich zuerst von den Möglichkeiten des Ensemblespiels, sei es der Kanon zu Beginn der Durchführung des ersten Satzes, oder, ganz besonders, die gewaltige Fuge des Finales, die selbst die „Große Fuge“ op. 133 hinter sich lässt. Es eröffnen sich plötzlich Zusammenhänge, die in Beethovens Original sonst kaum nachzuvollziehen sind. Auch die vielfach chromatischen Umspielungen in der Mitte des ausgedehnten Adagios gewinnen in der ersten Violine eine schmerzhafte Intensität, die auf dem Klavier selten zu erreichen ist.
Alle 88 Tasten der Klaviatur wurden in dem Stück von Beethoven beansprucht: Zu seiner Zeit war das eine aufsehenerregende Sache. Die extremen Lagen finden auch in der Quartettfassung ihren Niederschlag: Es braucht schon ein Spitzenensemble wie das Leipziger Streichquartett, das die riesigen Sprünge, Flageolett-Akkorde und engste harmonische Verschränkungen mit schlafwandlerischer Sicherheit umsetzen kann.
Überdies bereichern zwei Transkriptionen von Beethovens Zeitgenossen das Programm dieses Albums: Gemeinsam mit Gewandhausbratscher Peter Michael Borck präsentieren die Leipziger Beethovens dritten Versuch einer Ouvertüre zu seiner Oper Leonore. Die erheblich schlankere Endfassung der Fidelio-Ouvertüre rundet dieses außergewöhnliche Projekt effektvoll ab.