120 Jahre nach der Uraufführung im Teatro Regio di Torino kehrt Giacomo Puccinis weltberühmte Oper La Bohème an die Stätte ihres ersten Erfolgs zurück. Und natürlich hat das traditionsreiche Turiner Theater dafür gesorgt, dass dies nicht irgendeine x-beliebige Bühnenproduktion werden würde: Mit La Fura dels Baus konnten sich die Turiner eines der gefragtesten Kreativ-Ensembles sichern, das bekanntermaßen weder vor der großen Show noch vor dem Mut zur Hässlichkeit zurückschreckt.
Das aufsehenerregende Bühnenbild führt die Zuschauer in die Outskirts einer großen Stadt, wo, jedenfalls nach Meinung von La Fura dels Baus-Regisseur Àlex Ollé "die intellektuelle Matrix der Zukunft" zu suchen ist. In dieser Umgebung, die den Regisseur an die Zustände der Künstler zur Zeit der Uraufführung erinnert, "gehören Leben und Kunst denjenigen, die überleben", so Ollé. Der Corriere della sera erkannte in der Inszenierung "Theater, Leben und Leidenschaft", demnach also die drei Kernaspekte, die es braucht, um Puccinis vielleicht berühmteste Oper zum Leben zu erwecken.
La Fura dels Baus führen La Bohème ins 21. Jahrhundert. Und wir stellen verblüfft fest: Die Situation des heutigen Kreativ-Prekariats erscheint gar nicht so viel anders wie die Zustände im 19. Jahrhundert, die Puccini in seiner Oper anprangerte und die wir für längst überholt hielten. La Fura dels Baus schaffen damit eine moderne Zivilisations- und Gesellschaftskritik und erreichen, dass über Oper auch abseits musikalisch-inszenatorischer Aspekte endlich einmal wieder lebhaft diskutiert und gestritten wird.