Sie stammten beide aus Russland, sie waren Zeitgenossen – und doch hätten ihre Lebenswege kaum unterschiedlicher verlaufen können: Igor Strawinsky und Dmitri Schostakowitsch. Der eine der weltgewandte Dandy, der andere der in sich gekehrte Melancholiker. Beide zutiefst in der Musik ihrer Heimat verwurzelt, der eine im Sagenschatz und Volksbrauchtum vergangener Jahrhunderte, der andere unmittelbar im zeithistorischen Geschehen, das Russland in seinen Grundfesten erschütterte und Existenzängste verursachen musste.
Der eben vom Deutschen Klassikpreis OPUS 2018 zum "Dirigenten des Jahres" gekürte Cornelius Meister, beweist auch mit dieser Einspielung, dass er in der Lage ist, die unterschiedlichen Klangwelten der beiden russischen Komponistenkollegen in transparentester Form darzustellen; und das mit einem bestens disponierten Radio-Sinfonieorchester Wien dessen Chefdirigent er noch bis vor Kurzem war.
Besonders spektakulär ist dabei natürlich die Einspielung von Strawinskys Chant Funebre/Funeral Song, der lange verschollen geglaubten Begräbnismusik für Strawinskys Mentor Rimsky-Korsakow. Das Stück wurde erst vor wenigen Jahren wiederentdeckt und erlebt hier unter Meister eine seiner ersten Einspielungen überhaupt!
Aber auch Schostakowitschs umstrittene zwölfte Sinfonie ist seit Längerem nicht mehr abseits eines zyklischen Projekts neu eingespielt worden, und es ist zu begrüßen, dass dieses ambivalente Werk unter Meisters Dirigat eingehende, "frische" Würdigung erfährt.