Massenets Oper Werther wurde zunächst vom Direktor der Opéra-Comique abgelehnt und musste sich mit einer deutschen Uraufführung fern ab von Paris begnügen, bevor sie schließlich 1893 in Paris zu hören war. Sie etabliert sich allmählich als eines der persönlichsten Werke des Komponisten. Bei der Bearbeitung von Goethes Roman haben Massenet und seine Librettisten die Figur der Charlotte stärker in den Vordergrund gerückt und damit den Kampf zwischen Pflicht und Leidenschaft in den Mittelpunkt der Erzählung gestellt. Die Rolle des Werther, die ursprünglich einem Tenor zugedacht war, durfte mit Zustimmung des Komponisten auch von einem Bariton übernommen werden. Diese Version verleiht dem Werk eine melancholische Färbung, die ideal ist, um das selbstmörderische Temperament des Helden darzustellen. Tassis Christoyannis folgt diesem Ansatz in vorbildlicher Weise und steht der zurückhaltenden, aber bewegenden Charlotte von Véronique Gens gegenüber.